Agri-PV: ist die beste Lösung auch wirklich eine gute?

 

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V+E_Plan_VBB_Radeburg 20240322_A0_TF_2_V+E_PV_Radeburg; Quelle: radeburg.de

In der Stadtratssitzung vom 25. April hat der Stadtrat einstimmig den Entwurf des vorhabenbezogenen Bebauungsplans „Sondergebiet Agri-Photovoltaikanlage“ beschlossen. Nachdem es bereits eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden gab, bei der zahlreiche Stellungnahmen eingingen, wurde nun die (reduzierte) Planfassung vom 22.03.2024 beschlossen die vom 03.06. bis 05.07.2024 erneut öffentlich ausliegt. Eine „Agri-Photovoltaikanlage“ unterscheidet sich von anderen Photovoltaikanlagen im Freiland dadurch, dass hier die gleichzeitige Nutzung von Freiflächenphotovoltaik und Landwirtschaft auf derselben Fläche ermöglicht wird. Zum Bebauungsplan gehören Vermeidungs-, Minderungs- und Ausgleichsmaßnahmen im Vorhabengebiet. Diese sind im Umweltbericht dargestellt, der nun vorliegt und hier vollständig einsehbar ist.

Zunächst das in jedem Fall Gute: Der Technisches Ausschuss und der Stadtrat haben durch die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden vermieden, dass größerer Schaden entsteht – vom Vertrauensverhältnis zu den

Bürgern bis hin zu Umweltschäden. Der Verzicht auf die in noch höherem Maße umweltrelevante Fläche an der Würschnitzer Straße (unmittelbar gegenüber dem Eingang zum Campingplatz) war eine gute Entscheidung. Positiv ist weiterhin, das Agri-PV zweifellos die bisher beste technische Lösung auf Ackerflächen ist – wegen der weiteren Nutzbarkeit für die Landwirtschaft und der geringen Flächenversiegelung. Aber ist das Beste gut genug? Positiv ist auch zu bewerten, dass die von mir als Verfasser und 52 Mitzeichnern eingereichten Anregungen im Umweltbericht Eingang gefunden haben und beantwortet wurden.

Anders sieht es nach meiner Einschätzung aus, was die Qualität der Antworten betrifft. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die mit wissenschaftlichen Quellen belegten Fragestellungen nicht ebenfalls auf der Grundlage von sachlichen Belegen beantwortet wurden, sondern nur mit Vermutungen und Behauptungen. Das ist zunächst nicht weiter schlimm, denn vom 03.06. bis einschließlich 05.07. erfolgt jetzt die so genannte „Offenlage“ der Pläne und nicht zuletzt jeder Bürger kann noch einmal seine Einwände vortragen. Das ist auch umso wichtiger, als bereits das nächste Vorhaben zwischen „Waldrose“ und Stausee in den Startlöchern ist. Am Donnerstag, dem 23. Mai (also nach Redaktionsschluss) wurde wahrscheinlich der nächste

Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan einer weiteren, noch größeren Anlage geplant. Im Interesse unserer Natur, der Umwelt, des Klimas und der hier lebenden Menschen ist es deshalb wichtig, von Anfang an auf einer fachlichen Untersetzung zu bestehen und nicht nur etwas „hinzubiegen“. Wenn die Behauptungen durch Fakten untersetzt werden, kann ja auch alles gut und richtig sein und die bei diesem Thema kritischen Bürger können es mittragen.

Hier nun die Bezugnahmen des Planungsbüros zu unseren Anregungen im Einzelnen.

Wir hatten in unserer Anregung darauf hingewiesen, dass PV-Module sowohl nach oben als auch nach unten Wärmestrahlung abgeben und dies ist besonders während des Tages von Bedeutung ist, wenn PV-Module oft 20 °C wärmer sind als die Umgebungstemperatur. Auf Seite 26 wird dies auch in Bezug auf Agri-PV-Anlagen bestätigt: „Durch den Betrieb der Solaranlagen wird Wärme erzeugt. Im Normalbetrieb erreichen die Solarmodule eine Erwärmung bis auf ca. 50°C. Bei starker Sonneneinstrahlung können sich die Module zeitweise auch auf über 60°C erhitzen. Da der Wirkungsgrad der Solarzellen mitzunehmender Temperatur sinkt, sind die Hersteller bestrebt, die Erwärmung so gering wie möglich zu halten. Dazu dienen entsprechende Konstruktionen, welche eine gute Hinterlüftung der Anlage gewährleisten.“
Photovoltaik hat mit einem Wirkungsgrad von maximal 25% ohnehin den geringsten von allen Energiewandlern. Selbst mit der geplanten Nachführtechnik wird es nicht mehr. In was wird die restliche Sonnenenergie umgewandelt? Überwiegend, annähernd 75%, sind Wärme, die dank „guter Hinterlüftung“ umso mehr in die Umgebung abgegeben wird. Frage: Was berechtigt zu der Behauptung, PV-Anlagen würden der Klimaerwärmung entgegenwirken? Ich bitte um die Angabe einer fachlich fundierten Quelle für diese Aussage.

Was dadurch entsteht ist der so genannte „Wärmeinseleffekt“. Auf Seite 43 wird die „Verminderung der Kaltluftentstehung, u.U. Störung des Frischluftabflusses durch die Solarmodule, Entstehung lokaler Wärmeinseleffekte durch Versiegelung, ggf. Veränderung der kleinklimatischen Situation durch die Solarmodule“ eingeräumt. Auf Seite 44 wird auch explizit genannt, dass das „Schutzgut Klima“ beeinträchtigt wird durch „ggf. Entstehung lokaler Wärmeinseleffekte durch Erwärmung der Solarmodule“.

Dies wird also eingeräumt und etwas verschleiert durch die abgekürzten  Begriffe „u.U.“ und 2 x „ggf.“ Unter welchen Umständen denn? Natürlich unter denen, die dann vorliegen werden (oder auch nicht) wenn alles fertig gebaut und „alles zu spät“ ist. „Gegebenenfalls“ – welcher Fall ist denn gegeben? Natürlich der, dass dieser Schaden eintreten kann (oder auch nicht). Ist das wissenschaftlich? Ich habe da Zweifel. Welche konkrete lokale Erwärmung (in Grad Celsius) ist mit Blick auf das globale Minus-1,5°-Ziel hinnehmbar – unter Berücksichtigung der bereits global installierten und noch geplanten „PV-Wärmeinseln“? Welche Auflagen (Rückbau?) wird es geben, wenn die klimaschädlichen Effekte dann „u.U.“ oder „ggf.“ größer sind als erwartet?

Es kommt noch besser: Ebenfalls auf Seite 44: „Die genannten Wirkfaktoren können auch über den Vorhabenort hinauswirken (Wirkraum), müssen dabei jedoch nicht zwingend Eingriffe zur Folge haben.“ Wieso nicht? Weil der Gesetzgeber das nicht verlangt? „Sie verursachen als Konflikte den Funktionsverlust von Schutzgütern, Funktionseinschränkungen bei Schutzgütern sowie den Verlust bzw. die Beeinträchtigung von Lebensräumen.“ – Schutzgüter, als Laie ahnt man es nicht, sind nicht bloß schützenswerte Güter, sondern z.B. Mensch, Natur, Klima, Wasser, Luft … 

Daraus ergibt sich die konkrete Frage: Wie groß wird der Wärmeinseleffekt „über den Wirkraum hinaus“ konkret sein (in Grad Celsius) - in angrenzenden Schutzgebieten, in Teilen des Stadtgebietes oder bis zum Ortsteil Boden? Wurde das untersucht? Mit welchem Recht verzichtet man darauf? Unterliegen die Schutzgüter etwa bei einer Abwägung dem Klimaziel?

Im Umweltbericht auf S. 26 heißt es dazu: „Da die Flächen zukünftig zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien (Solarenergie) genutzt werden, wird im Gegenteil dem Klimawandel sogar entgegengewirkt.“

Wie kommt man im Ernst darauf, mit heißen Modulen, die einen Wärmeinseleffekt erzeugen, der sogar über den Wirkraum hinausgeht – und dies bei weltweit JEDER Photovoltaik-Anlage, die Erderwärmung zu stoppen? Können Sie eine fachlich fundierte Quelle dafür benennen?

Auf S. 26 heißt es weiter: „Die Errichtung der Agri-PV-Anlage Radeburg dient der klimaneutralen Produktion von Strom. Es sollen mit der Agri-PV-Anlage Module installiert werden, die eine Leistung von ca. 7.000 kWp Strom pro Jahr klimaneutral produzieren.“

Hier regen gleich zwei Aussagen an, etwas einzuwenden. Zum einen bedeutet das kleine „p“ hinter kW, dass damit der „Peak“ gemeint ist – die „Spitzenleistung“. Ist das aufs Jahr bezogen so zu verstehen, dass an 365 Tagen durchgehend die Sonne scheinen müsste, um diesen Wert zu erreichen? Bitte die Berechnung vorlegen!

Die Formulierung "klimaneutrale Produktion" stimmt schon wegen des Wärmeinseleffekts nicht und lässt außerdem die Ökobilanzen bei der Herstellung völlig außer Acht. Zu letzterem die Frage: Wie klimaschädlich oder -neutral ist die Produktion und die spätere Entsorgung der PV-Module, der Unterkonstruktion und der Inverter (Wechselrichter)? Transport, Bau der elektrischen Leitungen u.a. sind ganz sicher ebenfalls nicht klimaneutral, auch wenn der Anteil an der Gesamtbilanz sicher geringer ist.

Weiter heißt es: „Durch den Einsatz (gemeint ist sicher: Ersatz) fossiler Energieträger … werden jährlich ca. 5.600 t CO² sowie andere Luftschadstoffe eingespart.“ Eine Basisgröße wird nicht angegeben. Sind veraltete Kohlekraftwerke die Berechnungsgrundlage für die CO²-Einsparung? .

Übrigens: für Luftschadstoffe sind europaweit Grenzwerte festgelegt. CO² gehört, weil es nicht in schädlichen Mengen in der Luft ist, nicht dazu, auch wenn das Narrativ öffentlich gepflegt wird. Quelle einsehbar in unserer Online-Ausgabe.

In Bezug auf Regenwasser wird hier auch nur darüber gesprochen, dass dank der Agri-PV-Technologie die Austrocknung des Bodens „vernachlässigbar“ sein wird (S.40), aber kein Wort wird darüber verloren, dass Regenwasser, dass auf die 50, 60 Grad heißen Paneele trifft, erwärmt wird, ehe es versickert. Welche Effekte hat das erwärmte Wasser, zum Beispiel auf Mikroorganismen, gerade in der Trinkwasserschutzzone?

Einreicher: Klaus Kroemke (E-Mail)

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