„WIR GESUCHT – Was hält uns zusammen?“

Die 17. ARD Themenwoche vom 6. bis 12. November thematisierte den schwindenden Zusammenhalt in der Gesellschaft. Im Mittelpunkt stand die Suche nach einem gemeinsamen „Wir“. Der MDR beteiligte sich mit der Suche nach Positivbeispielen aus der Region. Die Sachsenspiegelredaktion stieß bei ihren Recherchen auf den Runden Tisch Radeburg und suchte mit uns das Gespräch. Schließlich waren vier von uns bereit, vor die Kamera zu treten.

Reporterin Regina Hamborg beschrieb in der Einleitung des vierminütigen Sendebeitrags Radeburg als die Geburtsstadt von Heinrich Zille und als Karnevalshochburg. Danach kommt sie direkt zum Thema: "Spaß hatten die 7.300 Einwohner aber zuletzt nicht immer miteinander. Wie an vielen Orten wurde heftig diskutiert, zu Hause, auf der Straße, über die Corona-Maßnahmen, die Impfpflicht. Manchmal bitterböse, bis aufs Blut."

Wie Mandy Thieme feststellte, lernte man bei den Montagspaziergängen neue Leute kennen, man konnte sich austauschen, aber nur mit Gleichgesinnten. Andere distanzierten sich davon. Angela Hofmann fand, dass man auch mal weiterkommen müsste. Da ist es zwar wichtig, sich zu treffen und auszutauschen, aber "immer nur im Kreis zu gehen" reichte ihr irgendwann nicht mehr. 

So entstand der Radeburger Appell und das erste Ergebnis des "Ringens um jedes Wort" war die Idee, an einem Runden Tisch mit denen zusammenzukommen, die die Corona-Maßnahmen und das Impfen eher befürworten, aber mit denen man sich immerhin eins ist, dass auch sie sich an der Spaltung der Gesellschaft stören. Wie konnte das klappen, ohne dass man sich immer wieder hochschaukelt und sich am Ende verbal niedermacht, wie das leider in den (un?) sozialen Medien immer wieder zu beobachten ist?

"Wir haben Spielregeln aufgestellt: Wertschätzendes Zuhören," erklärt Elisabeth Lorenz. "Dadurch konnten wir Themen herausfinden: was ist uns allen wichtig?" An erster Stelle nannte sie die Kinder, die am meisten unter den Maßnahmen gelitten haben. Um mehr für sie zu tun nannte Angela Hofmann als konkretes Beispiel den Bolzplatz an der Grundschule, der am Nachmittag zugeschlossen ist und eine bereits vom Runden Tisch vorgeschlagene Lösung. 
Wichtig war dem Runden Tisch auch die freie Impfentscheidung. Elisabeth Lorenz nannte die Selbstbestimmtheit als eine Voraussetzung überhaupt für den Dialog. Angela Hofmann beschrieb, wie man am Runden Tisch schließlich den Konsens fand, dass nur die freie Impfentscheidung ein akzeptabler Weg ist. Impfgegner und Impfbefürworter mussten ihre Standpunkte nicht aufgeben, wenn man einfach akzeptierte, dass die Entscheidung bei jedem selbst bleibt. 
Dadurch war es auch wieder möglich, dem anderen tatsächlich zuzuhören und für Argumente offen zu sein. "Das war für jeden eine Bereicherung," schätzte Mandy Thieme ein. 


Man kann jetzt nicht sagen, dass der Runde Tisch der Stein der Weisen ist. Am Runden Tisch trafen sich zwanzig Personen, etwa die Hälfte "Montagspaziergänger". Dort waren aber im Januar noch 600 Personen unterwegs, im Februar immer noch 200. Nicht jeder findet nach über zwei Jahren Corona, nach Enttäuschungen und Verletzungen, den Weg zurück in den Dialog. Aber zum Glück gibt es auf jeder Seite "Brückenbauer". 

Zusammenfinden soll man sich künftig wieder auf dem Marktplatz. Dazu sollte er nicht hauptsächlich ein Parkplatz, sondern vor allem ein lebendiger Platz sein. Auch wenn Stadträte erklären, dass "lange genug" geredet wurde, lassen Mitstreiter am Runden Tisch nicht locker. Erfolge zeigen sich schon. Die Mitte des Platzes wird künftig keine Parkfläche mehr sein. Also man lässt doch mit sich reden. Ein gutes Zeichen.

Der MDR-Sachsenspiegel stellte uns noch einmal die Einzelinterviews zur Verfügung, bei denen jeder der vier die Fragen von Reporterin Regina Hamborg beantwortete. Die Eingangsfrage an jeden lautete, was einen in jener Zeit bewegt hat, bevor man sich zum Runden Tisch zusammenfand. 

Klaus Kroemke: Statt eine Diskussion zu führen wurde man "eingeordnet". Ich fragte mich: Wieso sind wir nicht in der Lage, uns vernünftig auszutauschen?


Nachfrage: Es gibt ja gewählte Gremien in der Stadt, wozu braucht es dann einen Runden Tisch? - Antwort ab 3:24

Elisabeth Lorenz: Unsere Runden Tische funktionieren mit wertschätzendem Zuhören, auf Augenhöhe und damit, das Gesagte stehen zu lassen und nicht zu bewerten. Man muss akzeptieren, dass jeder seine Gründe für seine Meinung hat.


Nachfrage: Wie schafft man es bei den Runden Tischen, Konsens zu finden bei Themen, die auch sehr kontrovers sein können? - Antwort ab 2:32

Angela Hofmann: Wir haben uns gefragt: wie lange wollen wir noch im Kreis laufen? Irgendwann muss es weitergehen.


Angela Hofmann über den verschlossenen Bolzplatz - hier ab 3:49

Mandy Thieme: Diskussionen, gerade mit unterschiedlichen Meinungen, sind auch eine Bereicherung 


Nachfrage zum Thema Marktplatz - Antwort ab 1:11
Nachfrage: Was kann der Runde Tisch da tun außer zu reden? - Antwort ab 2:11

Wir bedanken uns beim MDR-Sachsenspiegel für die Erlaubnis der nachträglichen Veröffentlichung und für die angenehme Zusammenarbeit mit Reporterin Regina Hamborg und dem Kamerateam Thomas Kramer.

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